Hallo,
ich bin Mandy und hier könnt ihr lesen, wie ich zum ADHS kam und warum ich diese Website wichtig finde.
Aber fangen wir von Vorne an:
ich heiße Mandy, damit ich nicht jedes Jahr mein Alter aktualisieren muss, geboren 1981. Ich bin verheiratet und habe 2 Kinder, einen Jungen (2014) und ein Mädchen (2016). Ich bin gelernte Erzieherin und arbeite in einem Kindergarten.
Mein Mann und ich versuchten über 3 Jahre lang ein Kind zu bekommen, mit allem, was dazu gehört. Kurz vor der künstlichen Befruchtung (Termin stand schon fest) war ich überraschend schwanger. Ich war in der Schwangerschaft, trotz oder vielleicht auch wegen sehr viel Zeit, eher unentspannt. Die Geburt war schon ein besonderes Erlebnis, auch wenn ich einen Kaiserschnitt bekam.
Unser wunderschöner Sohn wurde gesund und munter in die Arme seines Vaters gegeben, da bei mir noch ein bisschen mehr gemacht wurde.
Die ersten Wochen waren so, wie man es bei vielen hört- nicht besonders anders. Er wurde gerne getragen und schrie meist eine Stunde vorm Einschlafen. Irgendwann merkte ich dass sein „Moro-Reflex“ (wenn Ihr es nicht kennt, googelt es mal- das führt hier zu weit, das auszuführen) recht ausgeprägt ist und er dadurch immer wieder wach wurde. Ich suchte nach einer Möglichkeit
ihm zu helfen und informierte mich übers Pucken. Er war 3 Monate alt, als ich anfing ihn zu pucken, dass hat ihm tatsächlich enorm geholfen. Die größten Schwierigkeiten hatten wir Erwachsenen, die wir versucht haben uns in das Kind einzufühlen.
So kamen wir einige Zeit gut zurecht.
2016 wurde unsere Tochter geboren. Ein rundum süßes gesundes Mädchen.
Und ab da begann es schwierig zu werden. Wir rechneten damit, dass unser 20-Monate junger Sohn eifersüchtig werden könnte, wie man es in vielen Familien hört. Ich bin ehrlich, ich habe mit Schlimmerem gerechnet. Er war sehr interessiert an ihr. Die Probleme kamen erst, als unsere Tochter ein Vormittagsschläfchen brauchte. Sie war da eigentlich recht „pflegeleicht“, sie brauchte nur 5 Minuten Stille und Mama. Da kommen wir zum Problem, das verstand unser Sohn altersentsprechend nicht. Ich habe sämtliche Techniken ausprobiert, ihn mit einbezogen, aber sobald er sich bewegte, ein Geräusch machte, oder sonst was, war unsere Tochter wieder wach. Und warum auch immer haben sich die Zeiten, die sie brauchte um einzuschlafen, verdoppelt. Das bedeutet, eigentlich braucht sie 5 Minuten zum Einschlafen, wird sie gestört, sind es 10 Minuten, wird sie innerhalb dieser 10 Minuten nochmal abgelenkt- sind es 20 Minuten usw. da merkte ich zum ersten
Mal, dass:
a) meine Tochter recht reizempfindlich ist
b) dass mein Sohn gar keine Geduld hat (da habe ich es noch dem Alter geschuldet)
Ich kam jeden Morgen in einen Gewissenskonflikt, der schön nach und nach jeden Tag ein wenig mehr von meiner Geduld raubte, von der ich dachte sie sei endlos. Auf der einen Seite ein Baby, dass 5 Minuten Ruhe brauchte und auf der anderen Seite ein Kleinkind ohne Geduld und Verständnis.
Ich habe sämtlich Methoden ausprobiert, ihn dabei lassen, war keine Option, ich habe ihm reizvolle Bücher und kleine Spiele gekauft, die nur in diesen 5 Minuten ausgegeben wurden, aber er forderte ständig meine Begleitung ein.
Dann überraschte mich der Kindergarten, in dem er zu August 2017 angemeldet war, in dem mir ein Platz ab März angeboten wurde. So ging er mit 2,3 Jahren zum ersten Mal in der Kindergarten. Es macht ihm eigentlich viel Spaß, solange ich im Raum war. Nachdem er eingewöhnt war, war die Trennung immer zwischen „die Erzieherin gibt sich richtig Mühe ihn zu motivieren“ und „weinend
auf den Arm der Erzieherin geben“ ich weiß nicht, wie oft ich weinend aus dem Kindergarten gegangen bin, aber die Kolleginnen berichteten, dass er sich immer relativ schnell wieder beruhigte.
Während der Kindergartenzeit kristallisierte sich nach und nach heraus, dass mein Sohn recht impulsiv ist und keine Frustrationstoleranz hat. Er biss und haute andere Kinder, wenn sie etwas wegnahmen, oder nicht teilen wollten.
Gleichzeitig merkte man aber auch, wie fokussiert er spielen konnte und wie lustig und charmant er sein kann, ich schätze dieser Ausgleich und meine Offenheit halfen dabei, dass er nicht „in eine Schublade“ gesteckt wurde, wovor ich große Angst hatte. Ich sah soviel Potenzial in ihm, aber auch wie sehr er sich regelmäßig im Weg stand. Langsam kam man in eine Phase, wo man sich hinterfragt, ob man alles richtig macht, „leben wir ihm etwas falsch vor“?, „Sind wir zu streng“?, oder „sind wir nicht streng genug“? sind Fragen die uns intensiv beschäftigten. In Elterngesprächen wurde er immer wiedergegeben, wie wir ihn auch erlebten, es gab also selten Überraschungen, weinen musste ich trotzdem regelmäßig, wenn man hört, dass seine Sozialkompetenz recht eingeschränkt ist. Woher das kam, konnten mein Mann und ich uns nicht erklären, wie sind beide recht gesellige Menschen mit einem guten Sozialverhalten (würde ich behaupten). Es gab Ideen von Erzieherinnen, Familienangehörigen und mir selbst- aber irgendwie schien keine davon wirklich zu helfen. Vor allem in seiner Frustrationstoleranz habe ich versucht ihm zu helfen. Stampfen, ins Kissen boxen, eine Runde rennen, Blatt zerreißen, Wut in Ballon pusten, hüpfen- sämtliche Bücher zum Thema Wut im Bauch- es hat nichts geholfen.
Ich fing an zu forschen, warum er so anders war, als die Kinder die ich aus dem Kindergarten kannte- war er ein „typisches Erzieherkind“?, was das bedeutet weiß ich ehrlich gesagt auch nicht, aber man bekam es öfter zu hören.
Ich ging zur Erziehungsberatung der Caritas- ich habe es nicht bereut, die hatten tolle Ideen- die haben leider nur nicht geholfen.
Er bekam Psychomotorik verschrieben- in einer Gruppe von Kindern Bewegungsangebote wahrnehmen um sein Selbstwert zu verbessern und natürlich sein Sozialverhalten. Ich habe ihn 5 oder 6 mal gebracht- danach haben wir abgebrochen, weil er die letzten 4 Male nur noch auf der Bank saß und nicht mitgemacht hat, er wollte das nicht. Dann bekam er Ergotherapie verschrieben- für seine Feinmotorik, war das recht hilfreich- gerade kurz vor der Einschulung, er konnte zwar Batterien an seinem Trecker wechseln, mit Schraubenzieher und Mini Schräubchen umgehen, aber einen Stift nahm er nicht gerne in die Hand. Die Ergotherapeutin war super, ich durfte dabei sein, das half ihm überhaupt mitzumachen. So bekam ich reichlich Ideen, was ich auch zuhause anbieten konnte. Nach einigen Sitzungen und der ersten Neugier verlor er die Lust an der Ergotherapie. Es war jedes Mal mühselig ihn da überhaupt hin zu bringen, ohne Gemotze und Wutanfällen. Er verweigerte sich manchmal und wurde trotzig. Ab und zu musste ich den Raum verlassen, damit er mitmachte. In irgendeinem Bericht von der Therapeutin stand etwas von „oppositionenllem Trotzverhalten“ Ich kannte das nicht- habe es gegoogelt und festgestellt, dass das teilweise wohl passen könnte. Dann kam er in die Schule- das war ein großer Wendepunkt- er und wir waren stolz und glücklich, bis er gemerkt hat, dass er den Stift regelmäßig benutzen muss, und das Hausaufgaben gemacht werden müssen, auch wenn er keine Lust hat. Er kam regelmäßig mit schlechter Laune nach Hause, Hausaufgaben machen war täglich ein Kampf, er schrie, schmiss mit Stiften, Heften und anderem. Die Lehrerin war fantastisch, sie war von Anfang an im Thema, schon bei der Anmeldung habe ich offen gesprochen, worauf bei ihm geachtet werden sollte. Sie hat immer sein Potenzial gesehen und versucht so gut es geht zu unterstützen. Sie hat Hausaufgaben gekürzt, damit er nicht so überfordert ist.
Irgendwann bekam ich bei regelmäßigen Gesprächen am Schultor mit anderen Eltern den Tipp, mal testen zu lassen, ob er „hochsensibel“ ist. Ich informierte mich und war erschrocken, wie viele Komponenten zu ihm passten- und zu mir.
Ich suchte eine Kinderpsychatrische Praxis die diese „Hochsensibilität“ testen konnte und machte einen Termin. Ich wurde dort sehr ernst genommen, was mich unheimlich erleichtere und mich wieder zum Weinen brachte. In diesem Gespräch wurde mir die Testweise erklärt es wurden mehrere Termine gemacht:
- IQ-Test, Motorik Test, ein Emotions Test- sämtliche Fragebögen mussten ausgefüllt werden
Ich glaube mich zu erinnern, dass damals auch schon der Begriff ADHS gefallen ist, dass habe ich aber verworfen, da ich mit meinem falschen Halbwissen glaubte, da er stundenlang ruhig auf dem Trecker mitfahren konnte und auch stundenlang intensiv und originalgetreu die Landwirtschaft mit Spielsachen nachspielte, dass er, wenn er ADHS hätte sich nicht solange konzentrieren könnte. Ich war doch recht überrascht, als ich mich irrte und die Diagnose ADHS gestellt wurde. Ich wurde recht gut aufgeklärt, was im Gehirn
passiert und wie Medikamente wirken.
Puh- das musste ich erstmal sacken
lassen- Medikamente! Ich erinnerte mich an ein Kind, dass ich als Erzieherin kennengelernt hatte das ADHS hatte und wenn es Medikamente bekam, wirkte es recht teilnahmslos. Das wollte ich für mein Kind nicht, ich muss aber zugeben, dass es zu dem Zeitpunkt schon 15 Jahre her war. Ich besprach mich ausgiebig mit meinem Mann, pro-kontra, wir haben uns dazu entschieden es
wenigstens zu versuchen. Er bekam am ersten Tag 5mg Medikenet. Ich war so gespannt auf das Schulende. Als er nach Hause kam sagte er von sich aus, dass er Hausaufgaben machen geht und hat sich alleine an den Tisch gesetzt und seine Hausaufgaben gemacht- ohne Theater. Ich habe… wieder geweint, diesmal vor Freude, Erleichterung, Überraschung, aber auch ein bisschen schlechtes Gewissen, dass wir das nicht schon früher herausgefunden hatten und ihm und uns dadurch einiges an Leid erspart hatten.
OK - also ADHS
Jetzt bekam er also regelmäßig Medikamente, was einerseits bedeutete, dass er wieder besser am Schulgeschehen teilnehmen konnte, entspannter mit seine Mitschülern war und sich bei Hausaufgaben besser konzentrieren konnte- andererseits hatte er auch mit einigen Nebenwirkungen zu tun, er hatte mittags keinen Hunger mehr, was dazu führte, dass wir keinen geregelten Ablauf beim
Essen einhalten konnten- er bekam nachmittags Hunger- und hatte beim Abendessen oft keinen mehr. Das war eine Herausforderung, an der wir noch immer arbeiten. Ebenfalls war er nachmittags oft deutlich unentspannter- war es der „Rebound“? ich weiß es ehrlich gesagt nicht, es war und ist aber echt kräftezehrend. Eine weitere Herausforderung ist das Unverständnis unseres Umfeldes, da musste im Familien- und Freundeskreis viel Aufklärungsarbeit geleistet werden, aber wenn man keinerlei Erfahrung mit dem Thema ADHS hat, nur ein Halb- oder kein Wissen ist es schwer echtes Verständnis zu bekommen. Nicht alle Menschen sind bereit ihre bisherige Denkweise zu dem Thema zu verändern. Wir haben Erfahrungen mit sämtlichen Vorurteilen gemacht. Jedes einzelne tat weh. Es gibt aber auch Menschen, die sich bemühen zu verstehen, dass tut wiederum gut. Irgendwann nach einer ganzen Weile, nach der Diagnose- habe ich die Ärztin um Hilfe gebeten. Mein Kind machte mir Angst. Wenn er wütend auf jemanden war, sagte er Sätze wie z.B. „die Lehrerin spinnt doch, die soll man in einen Container stecken, damit die keine Luft mehr bekommt und erstickt“, oder zum
Thema Einbrecher: „dann hol ich den Trecker und haue denen die Schippe auf den Kopf“ und noch einige mehr-alle mit sehr ausgeprägten Gewaltfantasien.
Sie hat sich das notiert, war aber nicht so besorgt, wie ich. In dem Zusammenhang habe ich regelmäßig um Hilfe gebeten, mit seinem
Sozialverhalten, aber leider bekam ich außer der medikamentösen Begleitung keine wirkliche Hilfe, oder Aufklärung, welche Möglichkeiten es überhaupt gibt.
Ich merkte mehr und mehr, dass meine Gedanken sich ständig um das Thema ADHS drehten, weil die Auswirkungen täglich zu spüren waren. Es gab kaum Tage ohne Konflikte. Meine Kräfte wurden immer weniger. Ich wollte mich mit Menschen austauschen, die mir helfen können unsere Familiensituation zu verbessern, also fing ich an zu googeln, ich fand Selbsthilfegruppen, na klar!, dass ich nicht früher drauf gekommen bin! Meine erste Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe für Eltern von Kindern mit ADHS war eine fantastische Erfahrung. Hier verstand man mich- ich wurde nicht komisch, zweifelnd angesehen, sondern verständnisvoll. Das tat sehr gut. Der Austausch hat mir sehr viel gebracht, hier erfuhr ich, dass ich einen Pflegegrad beantragen konnte, dass es Elterncoachings gibt, hier habe ich sämtliche Greifmaterialien für die Hände kennengelernt und sämtliche Hilfsmittel wurden besprochen. Das empfehle ich jedem, der sich mit seiner Situation allein fühlt- sucht euch Selbsthilfegruppen!
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